Montag, 18. Juni 2007

Gewittermädchenmonologe, unkoordiniert

Gewittermaedchenmonologe-unkoordiniertEs kommt von oben. Oberrücks, oberfuchsig, obenrum.

So wie unlängst. Der Himmel weinte. Aber erst, als die Tränen kamen. Lautlos erlagen sie der Schwerkraft, doch ehe sie auf dem sommerheißen Asphalt verdunsteten, zauderte der Himmel und beschloss, loszulassen und rauszulassen, was die schwül-schweren Wolken nicht mehr tragen und ertragen konnten, und Tränen und Gewittertropfen vermengten sich - oberrücks, oberfuchsig, obenrum.

R. sagt, ich sei zahm geworden, als ich an dem runden Tisch mit den Zigarettennarben sitze und das Handtuch sich um meinen klammen Körper windet, und ich will nicht zugeben, wie richtig er liegt. Sein Kinn ist noch genauso eckig wie damals, und ich denke an Bananen und Kinderschokolade, wenn ich in seinen Augen versinke, weil die Erinnerung gerne in Banalitäten badet, nicht in Emotionen. „Warst du in mich verliebt?“; höre ich mich fragen, und seine Kinderschokoladen-Bananen-Augen zögern und lächeln. „Ich war ein Schwein damals“, sage ich, und in dem Moment meine ich es so und wundere mich, dass ich das sage, aber eigentlich auch nicht, weil er schon sagte, dass ich zahm geworden bin und damit Recht hat. Mein Biss ist fort, er hat nicht mal einen Grabstein verdient, und ich senke den Blick, weil in meiner Regenbogenhaut steht, was das Gewitter noch nicht verkraften kann.

Es hat aufgehört zu gewitterregnen, es blitzt nur hin und wieder lautlos und engelsgleich auf dem Asphalt im Morgengrauen, und als wir auf der blanken Straße stehen, will ich in seinen Armen ertrinken oder alleine schwimmen, ich weiß es selbst nicht genau. Seine Arme sprechen eine andere Sprache als seine Augen, und es blitzt immerfort und fängt wieder an zu regnen. Es sind nicht seine Worte, die mich überschwemmen, es ist das, was mal war, aber nicht sein konnte.

So wie unlängst. Der Himmel weinte, aber das Kind lachte, und die Pfützen waren sommerwarm. Ich laufe die Holztreppe nach unten und lasse mich wegschwemmen, tanze mit den Gewittertropfen um die Wette und halte inne, um regenfrische, blutrote Kirschen zu pflücken, die so süß schmecken wie das Lachen des Kindes, als es ebenso die Holztreppe nach unten flitzt und an meiner Hand lernt, wie man gegen ein Gewitter trotzt.

Ich warte mit Gin auf Mitternacht und den Wechsel der Tage, aber ich gehe nicht auf den Balkon, weil kein Gewitter auf mich wartet – nicht jetzt, nicht morgen, keine Tropfen, die mit mir weinen. Die warmen Finger von R. habe ich fast vergessen, auch den Tau auf den Straßen danach, und irgendwann werde ich ihm schreiben, dass meine letzten Worte mir Leid tun.

Vielleicht geh ich doch noch auf den Balkon. Um zu sehen, ob der Lavendel gewachsen ist. Ich mag den Geruch von Lavendel nicht, aber es heißt, er blüht für Verstorbene, also muss er auch bei mir blühen. Lila-leicht, betörend-blumig, schwülstig-schwer. Wer fragt schon nach dem Geruch, wenn er Erinnerungen und Menschen in den Blüten trägt?

Ich habe heute die blaue Stunde verpasst und bin wehmütig, weil ich seit Wochen darüber schreiben will, über die Stunde zwischen Licht und Dämmerung, in der das Herz lauter pocht als sonst und die Gedanken sich kasteien, in den 60 Minuten des Flimmerns zwischen Sonne und Mond, wo Gedanken kein Zuhause finden, und ich denke an Emma und andere und ihn.

Wie schrieb Erich Kästner so schön wehmütig?

Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen.
Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst …
Ich aber werd mich heute Nacht besaufen
und ein bisschen beten, dass du glücklich wirst.


Ohne mich und mit mir zugleich. So ist es eben mit Donner und Blitz.

Nellas Niemandsland

Neurosen, Nettigkeiten & notwendiger Nonsens

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