Mitternachtsparty mit rosa Zuckerguss
Der zweite Abend bei J. fühlt sich an wie eine Mitternachtsparty mit rosa Zuckerguss aus Ruhrpott-Slang. Irgendwo zwischen geschnittenen Pfifferlingen und dem rosa Hackfleisch steht Bier und Wein, mit dem das Kind gefeiert wird, das gerade eingeschult wurde und schon auf der Couch liegt und schläft, der Lärm auf Klassenfahrt-Niveau prallt an ihr ab. Sie sind alle gekommen, die Freunde von J., die auch die Freunde des Kindes sind, nur ihr Vater nicht, dafür seine Frau, und das ist das Brisanz-Tüpfelchen auf dem i des Abends. Sie ist blond und herzlich, und das war sie auch damals, als sie vor sieben Jahren erfuhr, dass ihr Mann nicht nur fremdgegangen war, sondern auch eine 18-Jährige geschwängert hatte. Sie war nicht wütend, sie verbannte Wut und Traurigkeit und streichelte J. über den Bauch, anstatt sie zu hassen, anstatt darüber zu wüten, dass ihr Mann jedes Klischee bedient und sie gegen ein jüngeres Modell ausgetauscht hatte. Sieben Jahre später sitzt man im rotweingeschwängerten Raum und mag sich, die Vergangenheit ist verwischt und alte Schmerzen zerschnitten.
„Wer kuschelt mit mir?“, ruft J. in den Nachmittag, und alle treffen sich in dem roten Schlafzimmer, wo die Zigarette reihumgeht, bis alle kichern und sich erneut wie auf Klassenfahrt fühlen, 20 Quadratmeter mit vier Erwachsenen, die ihre kindlichen Seelen unter der Satin-Bettwäsche vergraben, und wenig später legen sich auch das Kind und der Hund dazu, wir sind zusammen und atmen uns gleichmäßig in den Schlaf, während irgendein Film uns wortgewandt betört.
Der Liegestuhl auf dem Balkon ist klamm, aber ich liege unter der Decke und starre in die Nacht, ich will die Lider nicht flattern lassen, da sonst die Tränen rinnen, aber es ist zu viel Flüssigkeit, sie muss raus und die Nacht nässen. Es riecht nach Regen, die Luft hängt schwer und ich ziehe die Beine ganz nah an mich ran, damit mich die feuchte Nacht nicht erschlägt. Gebettet auf Gedankenfetzen hadere ich mit mir, ich mag mich nicht, wie können mich andere dann mögen? Ein Leben ist der Zusammenprall von banalen Katastrophen, erinnere ich mich an ein Film-Zitat, und es gibt eben Katastrophen, die passieren und verändern und wortlos sind. Wenn man sich selbst nicht leiden kann, wohnt es sich schlecht in einer Seele, und wenn die Seele verstummt, dann muss man sie ruhen lassen im wortlosen Nirvana, das in Traurigkeit schwimmt.
Man sucht eine Kerze und schmiegt sich aneinander, A. ist traurig und denkt an damals, als sie auf eine Katastrophe prallte und alles anders wurde. J. zündet die Kerze an, und wir denken an Emma, zu dritt und schweigend, und als es zu regnen anfängt, lachen wir uns unbeholfen an, weil das Bier wieder mal ausgeht, und trinken Wein aus bauchigen Gläsern. Man kennt sich nicht lange, ein Jahr vielleicht, aber man gehört zusammen, ein Band, das unzerschneidbar ist, weil es Herzen aneinanderheftet, hier, wo jeder sein kann wie er ist und aufgefangen wird von der Kraft der anderen. Bei J. zu sein ist wie Heimkommen in ein Zuhause, von dem man immer geträumt hat.
„Ich will nicht schlafen“, sagt K., die um zehn noch immer durch den Abend hüpft und das Bett verweigert. „Du musst morgen in die Schule“, antwortet man, doch das Kind hat kein Interesse. „Hab ich morgen kein Wochenende? Da hab ich mir ja was Schönes eingebrockt mit der Schule“, sagt sie empört und setzt hinzu. „Das ist nicht fair! Ihr bleibt den ganzen Tag zu Hause und schlaft, und ich muss in die Schule“, und Lachen perlt in mir auf, gackerig und kindisch und herrlich warm.
Ey, sagte J. mit zerknitterten Lidern, als wir morgens zerfeiert wach werden und das Kind mühsam wach rütteln, und mehr als Ey habe auch ich nicht zu sagen, die erste Nacht bei J. klebt noch an meinen Wimpern, den langen und schwarzen. Aufregung liegt in der Luft, der erste Tag in der Schule steht an, doch das Kind ist noch cool und unberührt, während J. ein bisschen wehmütig ist. Eine Stunde später ist die Coolness von K. verschwunden, sie ist Kind und klein und klammert sich an J., die mit sich und dem Großwerden ihrer Tochter kämpfen muss, denn auch eine Schulkind-Mama hat viele Tränen.
Der zweite Abend bei J. fühlt sich an wie eine Mitternachtsparty mit rosa Zuckerguss aus Ruhrpott-Slang. Ey, ischliebdisch, denke ich, als ich wieder in der glatten Satin-Bettwösche neben J. einschlafe und wir monoton atmen, ein und aus und gleichzeitig, weil wir eine Seele haben, die sich im Schlaf umschlingt, und so soll es auch sein, solange es geht.
„Wer kuschelt mit mir?“, ruft J. in den Nachmittag, und alle treffen sich in dem roten Schlafzimmer, wo die Zigarette reihumgeht, bis alle kichern und sich erneut wie auf Klassenfahrt fühlen, 20 Quadratmeter mit vier Erwachsenen, die ihre kindlichen Seelen unter der Satin-Bettwäsche vergraben, und wenig später legen sich auch das Kind und der Hund dazu, wir sind zusammen und atmen uns gleichmäßig in den Schlaf, während irgendein Film uns wortgewandt betört.
Der Liegestuhl auf dem Balkon ist klamm, aber ich liege unter der Decke und starre in die Nacht, ich will die Lider nicht flattern lassen, da sonst die Tränen rinnen, aber es ist zu viel Flüssigkeit, sie muss raus und die Nacht nässen. Es riecht nach Regen, die Luft hängt schwer und ich ziehe die Beine ganz nah an mich ran, damit mich die feuchte Nacht nicht erschlägt. Gebettet auf Gedankenfetzen hadere ich mit mir, ich mag mich nicht, wie können mich andere dann mögen? Ein Leben ist der Zusammenprall von banalen Katastrophen, erinnere ich mich an ein Film-Zitat, und es gibt eben Katastrophen, die passieren und verändern und wortlos sind. Wenn man sich selbst nicht leiden kann, wohnt es sich schlecht in einer Seele, und wenn die Seele verstummt, dann muss man sie ruhen lassen im wortlosen Nirvana, das in Traurigkeit schwimmt.
Man sucht eine Kerze und schmiegt sich aneinander, A. ist traurig und denkt an damals, als sie auf eine Katastrophe prallte und alles anders wurde. J. zündet die Kerze an, und wir denken an Emma, zu dritt und schweigend, und als es zu regnen anfängt, lachen wir uns unbeholfen an, weil das Bier wieder mal ausgeht, und trinken Wein aus bauchigen Gläsern. Man kennt sich nicht lange, ein Jahr vielleicht, aber man gehört zusammen, ein Band, das unzerschneidbar ist, weil es Herzen aneinanderheftet, hier, wo jeder sein kann wie er ist und aufgefangen wird von der Kraft der anderen. Bei J. zu sein ist wie Heimkommen in ein Zuhause, von dem man immer geträumt hat.
„Ich will nicht schlafen“, sagt K., die um zehn noch immer durch den Abend hüpft und das Bett verweigert. „Du musst morgen in die Schule“, antwortet man, doch das Kind hat kein Interesse. „Hab ich morgen kein Wochenende? Da hab ich mir ja was Schönes eingebrockt mit der Schule“, sagt sie empört und setzt hinzu. „Das ist nicht fair! Ihr bleibt den ganzen Tag zu Hause und schlaft, und ich muss in die Schule“, und Lachen perlt in mir auf, gackerig und kindisch und herrlich warm.
Ey, sagte J. mit zerknitterten Lidern, als wir morgens zerfeiert wach werden und das Kind mühsam wach rütteln, und mehr als Ey habe auch ich nicht zu sagen, die erste Nacht bei J. klebt noch an meinen Wimpern, den langen und schwarzen. Aufregung liegt in der Luft, der erste Tag in der Schule steht an, doch das Kind ist noch cool und unberührt, während J. ein bisschen wehmütig ist. Eine Stunde später ist die Coolness von K. verschwunden, sie ist Kind und klein und klammert sich an J., die mit sich und dem Großwerden ihrer Tochter kämpfen muss, denn auch eine Schulkind-Mama hat viele Tränen.
Der zweite Abend bei J. fühlt sich an wie eine Mitternachtsparty mit rosa Zuckerguss aus Ruhrpott-Slang. Ey, ischliebdisch, denke ich, als ich wieder in der glatten Satin-Bettwösche neben J. einschlafe und wir monoton atmen, ein und aus und gleichzeitig, weil wir eine Seele haben, die sich im Schlaf umschlingt, und so soll es auch sein, solange es geht.
Nella Niemandsland - 9. Aug, 21:23
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Catissima - 10. Aug, 15:00
Man kennt sich nicht lange, ein Jahr vielleicht, aber man gehört zusammen, ein Band, das unzerschneidbar ist, weil es Herzen aneinanderheftet, hier, wo jeder sein kann wie er ist und aufgefangen wird von der Kraft der anderen. Bei J. zu sein ist wie Heimkommen in ein Zuhause, von dem man immer geträumt hat.
Es ist so schön nach Hause zu kommen und zu wissen, da sind die Menschen, die man liebt. Die liebsten Freunde, die Freunde, die zur Familie geworden sind. ICH LIEBE EUCH!
Es ist so schön nach Hause zu kommen und zu wissen, da sind die Menschen, die man liebt. Die liebsten Freunde, die Freunde, die zur Familie geworden sind. ICH LIEBE EUCH!
DrYes - 10. Aug, 15:15
Zum Glück hat mein Zimmergenosse heute frei. Es ist uncool, im Büro mit Tränen in den Augen erwischt zu werden.
Mukono - 10. Aug, 18:26
beim Lesen
dieser zwei Texte habe ich das Gefühl, ich wäre dabei... und es fühlt sich verdammt gut an. Jemand soll jetzt einen Witz erzählen, würde ich wohl sagen.
lieben Gruß
an Catissima und natürlich an Sie, Nella
:-) Mukono
lieben Gruß
an Catissima und natürlich an Sie, Nella
:-) Mukono
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