Samstag, 21. Juli 2007

A4-Monolog, innen

A4-innenDie Schale mit dem Wasser unter dem matten Schreibtisch steht und kühlt noch immer, wenn es auch lauwarm und grau geworden ist, wann habe ich das letzte Mal die alten Dielen gewischt? fragt die Vernunft und verliert gegen die Faulheit. Du bist dick geworden, sagt eine raue Stimme blechern in meinem Kopf, und ich befehle mir, weiterzutippen, so wie es die altklugen Worte in den Büchern diktierten, die ich einst las auf der Suche nach dem perfekten Text, den korrekten Worten, den exakten Satzgefügen, damals, als ich noch nicht ausprobierte, einfach das aufzuschreiben, was mein Herz diktiert und ich merkte, dass ich es kann, das Schreiben ohne Ziel. Und dennoch ist die Übung, eine Seite zu schreiben, ohne anzuhalten, ohne nachzudenken, ohne Themen, keine schlechte, also tippe ich und nippe zwischendrin atemlos an dem blechernen Bier, dem zweiten des Abends, das mich innerlich kühlt und äußerlich mit einem Schweißfilm überzieht, den müden Körper, der in den letzten Wochen fülliger geworden ist, warum auch immer, zu viel Bier, zu viel Essen, zu viel Kummer, wer will das schon wissen, ich sicher nicht, wer sieht schon ein paar Kilo mehr. Der schwarze Bikini mit den schimmernden Blumen aus Pailletten, die ich irgendwann selbst aufnähte, als ich noch kreativ war, kneift an den Seiten, aber was spielt das schon für eine Rolle an einem Abend, an dem niemand sieht, dass meine Haare ungewaschen sind, meine Nägel brüchig und meine Zehen in einer Salatschüssel unter dem matten Schreibtisch wackeln. Meine Finger werden müde in der Hektik, ja nicht mit dem Tippen aufzuhören und einfach das zu schreiben, was mir durch den Kopf geht, und während ich das runterhacke, denke ich, dass sowieso keiner glaubt, dass dieser Text in einem Atemtippzug geschrieben wurde, so banal kann niemand denken, der hafennuttenblond ist, erkennen Sie diese Ironie?, und ich denke an meine Mutter, die meine Haarfarbe als "herausgekotztes Gerstenkorn" bezeichnet, nicht genau so, sie sagte es im Dialekt, aber das würden Sie ja doch nicht verstehen. Auf meinen Schultern hockt die Hitze der Nacht und die Last der Zukunft, und gleich ist Montag, den ich vergessen will, wie den Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, all jene Tage, an denen ich in mein oberflächliches Schauspielkostüm schlüpfe und das alltägliche Leben lebe, in dem die Klugscheiße das einzige ist, was über meine Zunge kommt und ich wieder mal auf Diät bin, weil der Stress mir die Lust auf alles nimmt, außer auf Bier, aber das werde ich nicht trinken, dort drüben in der verhassten Stadt, wo ein weißes Hotelzimmer antiseptisch auf mich wartet und die Nächte zäh und schal sind. Ich rauche zu viel, das Bier treibt mich an, aber ich treibe das Bier an, auf dass es fließt und auslöscht und das Feuer kühlt, das nicht brennen darf, da drinnen, wo mein wundes Herz sitzt und leise kichert, wozu weinen, denke ich, während die Tränen in der Hitze der Nacht versiegen und ich auf den Anruf von J. warte, wenn sie ihre müden Glieder ausgeschlafen hat und wir uns zum siebzehnten Mal in den letzten zwölf Monaten ein Hobby suchen, das uns am Leben erhält. Ich mag keine Menschen, höre ich mich gestern hohl sagen, genau, antwortet J., lass uns zusammenziehen und alle Menschen meiden, und ich lache unter den Fliesen meines Badezimmers, in dem die Glühbirne durchgebrannt ist und sehe mich im Spiegel, dunkel und verschwommen und ohne Konturen. Was soll ich noch tippen, ich habe ohnehin nichts zu sagen, lieber hole ich mir ein Bier, und ein weiteres, und noch eines, und starre auf den lautlosen Fernseher mit den bunten Bildern und singe ein bisschen vor mich hin, nachdem meine Finger müde getippt sind in dem Versuch, eine A4-Seite zu füllen, ohne innezuhalten, ohne Maß und Ziel, ohne Sinn und Verstand, und wenn Sie sich gelangweilt haben, dann machen Sie das mal nach.

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Mukono - 21. Jul, 23:29

smile

liebe Nella, ich habe mich nicht gelangweilt. Und es ist eine sehr schöne Methode, seine Seele auszubreiten... grins, ich weiß, sie würden eher schreiben "auszukotzen"

es kommt ja noch der Sonntag vor Montag

lieben Gruß:-)
auch an J.

Mukono

DrYes - 22. Jul, 00:16

Du hast nichts zu sagen?

Dafür war das eben ein sehr beredtes, sehr aus*sage*kräftiges Nichtssagen - Respekt! :-)

Luderchen - 22. Jul, 15:33

ich liebe sie..

deine monologe, deine gespräche die du "innen " führst
wie immer großartig ;-)

dfw - 23. Jul, 06:37

ich habe mich nicht gelangweilt, im gegenteil. der text ist spannend, ich mußte in zuende lesen.
sie haben ganz schöne konturen, gar nicht dunkel und verschwommen.

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Zuletzt aktualisiert: 26. Jul, 12:22

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