Gestern werde ich sein
[Aus dem Archiv, Februar 2000]
Die Hoffnung, die langsam in ihrem Körper aufsteigt und ihr das Gefühl gibt, sie hat irgendetwas Klebrig-Süßes intravenös zu sich genommen - Schokoladensauce überdosiert – verteilt sich in ihr. Sie kann nichts dagegen tun. Sie weiß nicht, ob es berechtigt ist zu hoffen, hat keine Ahnung, ob sie richtig reagiert, spürt, ahnt.
Sie kann sich nicht wehren.
Es ist einfach da.
Chancenlos.
Gestern war er plötzlich und hatte ihr eine Überdosis verpasst, die sie taumeln ließ. Er hatte gewusst, wo sie sein würde und es dennoch nicht gescheut, auch zu erscheinen, obwohl er sonst keine Gelegenheit ausließ, ihr aus dem Weg zu gehen.
Er hatte über sie hinweggesehen, als er den Raum betrat, absichtlich oder unbewusst, sie würde es wohl nie erfahren. Er drehte ihr den Rücken zu, sprach, gestikulierte, lachte – nicht mit ihr.
Sie blickt auf seinen Hinterkopf, seinen Pullover, seine Hände, die er abwendet – von ihr. Sie lacht, als er sich umdreht, blickt in eine andere Richtung, zieht an ihrer Zigarette. Nippt an ihrem Glas, hält sich daran fest, bewundert das Rot des Weines. Nicht zeigen, was ihre Hände sagen.
Die Maschen seines Pullovers sehen in ihre Richtung, sie kann spüren, wie sie ihn wärmen. Sie möchte ihre Hände darunter stecken und tasten. Sie denkt an Spiele in Kindergärten, diese großen Schachteln, in denen irgendwelche Gegenstände sind, die man blind ertasten und erkennen muss. Sie stellt sich vor, wie sie unter seinen Pullover greift und ausruft, hurra, es ist ein Mann. Der Gedanke lässt sie auflachen.
Als er sich umdreht, sinken ihre Mundwinkel, als sie in seine Augen eintaucht. Schau weg, lass mich. Er lächelt, hebt die Hand zum Gruß, zeigt aber kein Bedürfnis, sich ihr zu nähern, mit ihr zu reden. Sie winkt zurück, sieht wieder weg, ignoriert den Schmerz tief in ihr.
Stunden später, als sie an der Theke steht und seine Hände ihren Nacken erforschen, weiß sie, dass sie verloren hat.
Hilflos ausgeliefert, entrückt, verzückt.
Ihre Haut hat sie betrogen. Sie muss sich umdrehen und den Blick seiner Augen sehen. Seine Hände lassen los, sie meint zu frieren. Er lächelt, doch seine Augen suchen. Sie unterdrückt ein Zittern, blickt zu Boden. Er spricht, es zieht an ihr vorbei. Sie kann nur mehr Gedanken denken. Sie stellt die Frage und wartet. Er zögert, seine Hände verstecken sich. Sie ertrinkt im Bedürfnis anzufassen. Er schweigt, schaut, beobachtet. Sie hebt den Kopf, sieht ihn an.
Augen versinken. Sie sieht die Bewegung seiner Lippen, Worte, die sie nicht hören kann. Sinne verloren. Rauschen in ihren Ohren, als sie erkennt, was gesagt wurde. Ein zaghaftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Blickt auf ihn, sucht in seinen Augen die Wahrheit.
Nein.
Sie analysiert, fühlt es plötzlich in ihr aufstiegen. Hoffnung. Positives Nein. Seine Augen sagen ihr, was sie nun weiß. Sie sucht mehr. Ihre Hand auf seiner Schulter, unverzagt, mutig, hoffnungsvoll. Kratzende Wolle, sie möchte ihre Hand darunter stecken und fühlen lassen. Die zarte Haut finden, die Stelle, die wohl tut. Er hat es gesagt. Sie weiß, dass sie nicht verloren hat. Sie hört Musik an sich vorbeirauschen, Blut in ihren Ohren. Er senkt den Blick, versteckt.
Hingeben und aufgeben, das ist es, denkt sie.
Nicht mehr ankämpfen, zulassen. Ihm gehören.
Er sieht auf ihren Mund, möchte küssen. Denkt nach. Dreht sich um.
Küsst seine Freundin.
Die Hoffnung, die langsam in ihrem Körper aufsteigt und ihr das Gefühl gibt, sie hat irgendetwas Klebrig-Süßes intravenös zu sich genommen - Schokoladensauce überdosiert – verteilt sich in ihr. Sie kann nichts dagegen tun. Sie weiß nicht, ob es berechtigt ist zu hoffen, hat keine Ahnung, ob sie richtig reagiert, spürt, ahnt.
Sie kann sich nicht wehren.
Es ist einfach da.
Chancenlos.
Gestern war er plötzlich und hatte ihr eine Überdosis verpasst, die sie taumeln ließ. Er hatte gewusst, wo sie sein würde und es dennoch nicht gescheut, auch zu erscheinen, obwohl er sonst keine Gelegenheit ausließ, ihr aus dem Weg zu gehen.
Er hatte über sie hinweggesehen, als er den Raum betrat, absichtlich oder unbewusst, sie würde es wohl nie erfahren. Er drehte ihr den Rücken zu, sprach, gestikulierte, lachte – nicht mit ihr.
Sie blickt auf seinen Hinterkopf, seinen Pullover, seine Hände, die er abwendet – von ihr. Sie lacht, als er sich umdreht, blickt in eine andere Richtung, zieht an ihrer Zigarette. Nippt an ihrem Glas, hält sich daran fest, bewundert das Rot des Weines. Nicht zeigen, was ihre Hände sagen.
Die Maschen seines Pullovers sehen in ihre Richtung, sie kann spüren, wie sie ihn wärmen. Sie möchte ihre Hände darunter stecken und tasten. Sie denkt an Spiele in Kindergärten, diese großen Schachteln, in denen irgendwelche Gegenstände sind, die man blind ertasten und erkennen muss. Sie stellt sich vor, wie sie unter seinen Pullover greift und ausruft, hurra, es ist ein Mann. Der Gedanke lässt sie auflachen.
Als er sich umdreht, sinken ihre Mundwinkel, als sie in seine Augen eintaucht. Schau weg, lass mich. Er lächelt, hebt die Hand zum Gruß, zeigt aber kein Bedürfnis, sich ihr zu nähern, mit ihr zu reden. Sie winkt zurück, sieht wieder weg, ignoriert den Schmerz tief in ihr.
Stunden später, als sie an der Theke steht und seine Hände ihren Nacken erforschen, weiß sie, dass sie verloren hat.
Hilflos ausgeliefert, entrückt, verzückt.
Ihre Haut hat sie betrogen. Sie muss sich umdrehen und den Blick seiner Augen sehen. Seine Hände lassen los, sie meint zu frieren. Er lächelt, doch seine Augen suchen. Sie unterdrückt ein Zittern, blickt zu Boden. Er spricht, es zieht an ihr vorbei. Sie kann nur mehr Gedanken denken. Sie stellt die Frage und wartet. Er zögert, seine Hände verstecken sich. Sie ertrinkt im Bedürfnis anzufassen. Er schweigt, schaut, beobachtet. Sie hebt den Kopf, sieht ihn an.
Augen versinken. Sie sieht die Bewegung seiner Lippen, Worte, die sie nicht hören kann. Sinne verloren. Rauschen in ihren Ohren, als sie erkennt, was gesagt wurde. Ein zaghaftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Blickt auf ihn, sucht in seinen Augen die Wahrheit.
Nein.
Sie analysiert, fühlt es plötzlich in ihr aufstiegen. Hoffnung. Positives Nein. Seine Augen sagen ihr, was sie nun weiß. Sie sucht mehr. Ihre Hand auf seiner Schulter, unverzagt, mutig, hoffnungsvoll. Kratzende Wolle, sie möchte ihre Hand darunter stecken und fühlen lassen. Die zarte Haut finden, die Stelle, die wohl tut. Er hat es gesagt. Sie weiß, dass sie nicht verloren hat. Sie hört Musik an sich vorbeirauschen, Blut in ihren Ohren. Er senkt den Blick, versteckt.
Hingeben und aufgeben, das ist es, denkt sie.
Nicht mehr ankämpfen, zulassen. Ihm gehören.
Er sieht auf ihren Mund, möchte küssen. Denkt nach. Dreht sich um.
Küsst seine Freundin.
Nella Niemandsland - 6. Jul, 10:44
- Rubrik:
680 x gelesen - 4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
la-mamma - 7. Jul, 12:24
find das auch einen sehr schönen text
- mit einem sehr starken ende.
außerdem hast du garantiert jede menge nachzureichen - aus den archiven zwischen acht und dreiundzwanzig (das? - wenn ich da jetzt halbwegs richtig mitgerechnet hab ) und heute....
außerdem hast du garantiert jede menge nachzureichen - aus den archiven zwischen acht und dreiundzwanzig (das? - wenn ich da jetzt halbwegs richtig mitgerechnet hab ) und heute....
Nella Niemandsland - 7. Jul, 14:20
Das Lustige ...
... an dieser Geschichte ist, dass alles so passierte - bis auf das Ende. Das entwickelte sich erst, als ich nicht wusste, wie ich schließen sollte :-)
Und ja, es gibt sicher einiges aus dem Archiv zwischen acht Jahren und heute. Nur will ich das keinem antun :-)
Und ja, es gibt sicher einiges aus dem Archiv zwischen acht Jahren und heute. Nur will ich das keinem antun :-)
DrYes - 7. Jul, 16:20
Sehr schöner Text!
Macht mich sehr gespannt darauf, was da sonst noch so im Archiv schlummert ...
Trackback URL:
https://niemandslandtage.twoday.net/stories/4040860/modTrackback