Freitag, 6. Juli 2007

Aus Pfützen aufgetaucht

Aus-Pfuetzen-aufgetauchtWer auf dem Meer gewesen ist, scheut sich nicht vor Pfützen, stelzt sich ein russisches Sprichwort hölzern durch meine Gedanken, als ich die breite Straße in Zeitlupe entlang gehe und auf das graue Gebäude mit den Efeuranken zusteuere, das ich ferngesteuert finde, obwohl ich noch nie hier war, in der Straße der Entscheidungen.

Es ist ein Niemandslandtag ohne Geschmack, der gerne bitter wäre, aber es nicht ist, und obwohl die Sonne nicht scheint, schirme ich meine Augen vor dem Trübsinn des grauen Nachmittages ab. Die Vergangenheit geht neben mir, sie hält ihre mahnende Hand über mich, und ich fühle mich getragen, getrieben und gehetzt zugleich.

Die Stimmen in den Falten meiner Seele sind sich uneinig und hadern zwischen Vorwürfen und Vergebung, und ich stehe dazwischen, obwohl ich die helle Marmortreppe hoch laufe, ein bisschen zu tapfer, und ich stolpere über die Erinnerung, die sich mir in den Weg stellt und den Finger sachte hebt.

Die Frau mit den langen Haaren und dem verlebten Gesicht in dem großen Raum mit den gelben Vorhängen stellt leise Fragen, die ich ohne Sonnenbrille beantworte, und ich spüre ein kleines bisschen Angst, die die Härchen auf meinen Armen streichelt, als ich dankend ein Glas Wasser annehme.

Wer auf dem Meer gewesen ist, scheut sich nicht vor Pfützen, raschelt es zwischen den Zweigen der Großstadt, als ich wieder auf der Straße stehe und in die Sonne blinzle, die mit einem Mal da ist, und morgen früh geh ich schwimmen, ich scheue keine Pfützen mehr, denn ich bin längst untergegangen und aus den Pfützen wieder aufgetaucht.

Gestern werde ich sein

[Aus dem Archiv, Februar 2000]

Die Hoffnung, die langsam in ihrem Körper aufsteigt und ihr das Gefühl gibt, sie hat irgendetwas Klebrig-Süßes intravenös zu sich genommen - Schokoladensauce überdosiert – verteilt sich in ihr. Sie kann nichts dagegen tun. Sie weiß nicht, ob es berechtigt ist zu hoffen, hat keine Ahnung, ob sie richtig reagiert, spürt, ahnt.
Sie kann sich nicht wehren.
Es ist einfach da.
Chancenlos.

Gestern war er plötzlich und hatte ihr eine Überdosis verpasst, die sie taumeln ließ. Er hatte gewusst, wo sie sein würde und es dennoch nicht gescheut, auch zu erscheinen, obwohl er sonst keine Gelegenheit ausließ, ihr aus dem Weg zu gehen.
Er hatte über sie hinweggesehen, als er den Raum betrat, absichtlich oder unbewusst, sie würde es wohl nie erfahren. Er drehte ihr den Rücken zu, sprach, gestikulierte, lachte – nicht mit ihr.

Sie blickt auf seinen Hinterkopf, seinen Pullover, seine Hände, die er abwendet – von ihr. Sie lacht, als er sich umdreht, blickt in eine andere Richtung, zieht an ihrer Zigarette. Nippt an ihrem Glas, hält sich daran fest, bewundert das Rot des Weines. Nicht zeigen, was ihre Hände sagen.

Die Maschen seines Pullovers sehen in ihre Richtung, sie kann spüren, wie sie ihn wärmen. Sie möchte ihre Hände darunter stecken und tasten. Sie denkt an Spiele in Kindergärten, diese großen Schachteln, in denen irgendwelche Gegenstände sind, die man blind ertasten und erkennen muss. Sie stellt sich vor, wie sie unter seinen Pullover greift und ausruft, hurra, es ist ein Mann. Der Gedanke lässt sie auflachen.

Als er sich umdreht, sinken ihre Mundwinkel, als sie in seine Augen eintaucht. Schau weg, lass mich. Er lächelt, hebt die Hand zum Gruß, zeigt aber kein Bedürfnis, sich ihr zu nähern, mit ihr zu reden. Sie winkt zurück, sieht wieder weg, ignoriert den Schmerz tief in ihr.

Stunden später, als sie an der Theke steht und seine Hände ihren Nacken erforschen, weiß sie, dass sie verloren hat.

Hilflos ausgeliefert, entrückt, verzückt.

Ihre Haut hat sie betrogen. Sie muss sich umdrehen und den Blick seiner Augen sehen. Seine Hände lassen los, sie meint zu frieren. Er lächelt, doch seine Augen suchen. Sie unterdrückt ein Zittern, blickt zu Boden. Er spricht, es zieht an ihr vorbei. Sie kann nur mehr Gedanken denken. Sie stellt die Frage und wartet. Er zögert, seine Hände verstecken sich. Sie ertrinkt im Bedürfnis anzufassen. Er schweigt, schaut, beobachtet. Sie hebt den Kopf, sieht ihn an.

Augen versinken. Sie sieht die Bewegung seiner Lippen, Worte, die sie nicht hören kann. Sinne verloren. Rauschen in ihren Ohren, als sie erkennt, was gesagt wurde. Ein zaghaftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Blickt auf ihn, sucht in seinen Augen die Wahrheit.

Nein.

Sie analysiert, fühlt es plötzlich in ihr aufstiegen. Hoffnung. Positives Nein. Seine Augen sagen ihr, was sie nun weiß. Sie sucht mehr. Ihre Hand auf seiner Schulter, unverzagt, mutig, hoffnungsvoll. Kratzende Wolle, sie möchte ihre Hand darunter stecken und fühlen lassen. Die zarte Haut finden, die Stelle, die wohl tut. Er hat es gesagt. Sie weiß, dass sie nicht verloren hat. Sie hört Musik an sich vorbeirauschen, Blut in ihren Ohren. Er senkt den Blick, versteckt.

Hingeben und aufgeben, das ist es, denkt sie.
Nicht mehr ankämpfen, zulassen. Ihm gehören.
Er sieht auf ihren Mund, möchte küssen. Denkt nach. Dreht sich um.

Küsst seine Freundin.

Nellas Niemandsland

Neurosen, Nettigkeiten & notwendiger Nonsens

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Die Vergangenheit im Niemandsland

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Zuletzt aktualisiert: 26. Jul, 12:22

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